Auf den Blättern unscheinbarer Zimmerpflanzen tummelt sich eine hohe mikrobielle Vielfalt. Ausgehend von der Untersuchung gesunder pflanzlicher Mikrobiome und ihrer Wirkung auf Innenräume überprüft ein Forschungsverbund in Graz, wie Krankheitskeime in Räumen besser in Schach gehalten werden können. Dafür mussten Intensivstationen so minutiös wie Mars-Rover beprobt werden.
Die Bedeutung der Regenwälder als Lunge und Apotheke des Planeten, der Waldspaziergang als wirksame Entspannungsmaßnahme, die stetige Lieferung von Sauerstoff, Lebensmitteln, Heiz- und Werkstoffen – auf den Nutzen der Pflanzenwelt für uns Menschen gibt es viele Loblieder zu singen. Gerade kristallisiert sich im Forschungsverbund BioTechMed-Graz eine weitere Strophe heraus.
In einer Serie von Studien hat Gabriele Berg an der Technischen Universität Graz gemeinsam mit den Postdocs Wisnu Wicaksono und Alexander Mahnert die Wirkungen von Zimmerpflanzen auf Innenräume unter die Lupe genommen. Die Umweltbiotechnologin untersucht das Mikrobiom, also die vielfältige Gemeinschaft von Mikroorganismen, die auf und in Lebewesen lebt. Aus dem vertieften Verständnis der Beziehungen zwischen Mikroben, ihren „Wirten“ und den umgebenden Räumen könnten auch neue Ansätze für die Bekämpfung von multiresistenten Keimen hervorgehen.
Erste Bestandsaufnahme im Glashaus
Für das Forschungsprojekt „Pflanzenassoziierte Mikroorganismen in Innenräumen“, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, begann das Team zunächst mit der Beschreibung und der Bestandsaufnahme der Mikrobiome auf Zimmerpflanzen. Dafür wurden im Botanischen Garten in Graz Proben genommen, wo unter kontrollierten Bedingungen rund 15 gängige Zimmerpflanzen wie zum Beispiel Grünlilien, Bananenstauden und Drachenbäume wachsen:
Das Mikrobiom von Zimmerpflanzen ist sehr lebendig. Jede Art beherbergt eigene Mikroorganismen, und zwar unabhängig von den Umweltfaktoren. Wir haben rund eine Million Bakterien und 1.000 Pilze pro Quadratzentimeter Blattfläche gefunden. Sie wirken sich auf die Pflanzengesundheit aus, auf ein gesundes mikrobielles Raumklima und schützen die Pflanze selbst vor Krankheiten.
Gabriele Berg, Institute of Environmental Biotechnology TU Graz
Im nächsten Schritt haben die Forscherinnen und Forscher einzelne Pflanzen in Sterilbänke „eingesperrt“, um zu beobachten, wie das Mikrobiom umliegende Oberflächen beeinflusst. Unscheinbare und genügsame Zimmerpflanzen erwiesen sich dabei als „positive mikrobielle Superspreader“.
Das Mikrobiom richtig pflegen
Manche Räume, zum Beispiel Intensivstationen, sollen möglichst keimfrei sein. Dennoch kosten multiresistente Keime, die ihr Arsenal an Antibiotikaresistenzen untereinander aufgerüstet haben, ebendort regelmäßig Menschen das Leben: „Aus dem Vergleich unterschiedlich naturnaher beziehungsweise gereinigter Innenräume erkennen wir, dass wir Mikrobiome momentan in die falsche Richtung managen“, erklärt Gabriele Berg. Die gezielte Pflege einer mikrobiellen Gemeinschaft könnte ein Ansatz sein, um die Luft in heiklen Raumumgebungen gesünder zu gestalten.
Wie und warum kippen mikrobielle Gemeinschaften von einer vielfältigen, wohltuenden und nützlichen Zusammensetzung zu einer schädlichen und antibiotikaresistenten Struktur? Um Antworten zu finden, hat die Grazer Forschungsgruppe Innenräume entlang eines Gradienten von „hoher Exposition zu Pflanzen“ bis zu „möglichst steril“ beprobt.
„Die Methoden dafür hat die NASA entwickelt, um mit den Fahrzeugen für Raummissionen keine Keime von der Erde auf andere Planeten zu tragen. Nichts wird so gut geputzt wie ein Mars-Rover“, berichtet Berg über ihre Werkzeuge und Methoden.
Aus Bruchstücken Bösewichte zusammenbauen
Dementsprechend beprobte das Team, Raumfahrerinnen und Raumfahrern ähnelnd, in Schutzausrüstung Bauernstuben, Reinräume und Intensivstationen. Auf sterilen Flächen, wie man sie im Krankenhaus vorfindet, gibt es nur wenig DNA, die dennoch eine Fülle von Informationen enthält. Die Gruppe um Berg hat aus Proben von Intensivstationen das „Metagenom“ vollständig sequenziert, die gefundenen Sequenzen mit Datenbanken verglichen und durch neue bioinformatische Algorithmen wieder ganze Mikroorganismen-Arten aus den DNA-Stücken zusammengesetzt. Der Bioinformatiker Thomas Rattei von der Universität Wien unterstützte das Datenmanagement. Gefunden wurde etwa das gefürchtete Acinetobacter baumannii, das im klinischen Ambiente Resistenzgene mit anderen Keimen austauschen konnte.
Die Ergebnisse dieser Pionierstudie zu Naturnähe, Diversität und der Ansammlung von Antibiotikaresistenzen in Räumen wurde 2019 im Fachmagazin Nature Communications publiziert. Gabriele Berg fasst sie so zusammen: „Wo eine hohe bakterielle Vielfalt vorherrscht, gibt es wenig Multiresistenz-Gene.“ Viele Mikroorganismen halten sich sozusagen gegenseitig in Schach oder anders gesagt: Je stärker ein Raum gereinigt wird, desto einseitiger wird seine mikrobielle Gemeinschaft und Resistenzen können sich anhäufen.
Auf dem Weg zum gesundheitsfördernden Mikrobiom
Ungesunde klinische Mikrobiome entstehen aus dem Zusammenwirken vieler erkrankter Menschen, dem sorglosen Antibiotikagebrauch und erprobten Reinigungsregimes. Die gute Nachricht ist, „dass wir unser Tun nun bewerten können“, sagt die Grundlagenforscherin.
Mit Hilfe der wohltuenden pflanzlichen Mikrobiome aus dem Gewächshaus will das Team in Folgestudien der Lösung des Problems näherkommen: „Im Labor wollen wir die Wirkung verschiedener Reinigungsregimes und Mittel anhand einer Modellgemeinschaft aus dem Glashaus gezielt nachvollziehen.“ So sollen letztlich verbesserte Prozesse und der geeignete Einsatz von Putzmitteln modelliert und entwickelt werden.