Die österreichweite Initiative ABOL (Austrian Barcode Of Life) startet in die dritte Phase. Angesichts der aktuellen Biodiversitätskrise hat die Verfügbarkeit von Biodiversitätsdaten enorme Bedeutung erlangt. ABOL koordiniert nicht nur die genetische Erfassung der in Österreich vorkommenden Tier-, Pflanzen- und Pilzarten mittels DNA-Barcoding, sondern engagiert sich auch in europäischen und globalen Projekten zur Erfassung der Biodiversität. Die ABOL-Koordination wird für die nächsten drei Jahre weiterhin vom Bundeministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung finanziert.
Die Bewältigung der globalen Biodiversitätskrise gehört unumstritten zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Jeden Tag verschwinden Arten, wobei der Artenverlust oft im Stillen passiert, da viele der Organismen nur von wenigen Expert*innen bestimmt werden könne. Manche Arten sterben aus, bevor sie entdeckt wurden. Vielfach sind Anzahl und Verbreitung von Arten nur unzureichend dokumentiert. Um Veränderungen der Biodiversität feststellen zu können, sind jedoch räumlich und zeitlich engmaschige Datennetze erforderlich.
Eines der wichtigsten Werkzeuge, um vorhandene Datenlücken möglichst rasch zu schließen, ist DNA-Barcoding. Dabei werden Arten anhand von genetischen Sequenzen bestimmt. Das Vorgehen ähnelt dem Nachweis bzw. der Identifikation der verschiedenen Covid-19 Mutationen.
Wie bei der Covid-19-Pandemie handelt es sich bei der Biodiversitätskrise um ein globales Problem mit unumkehrbaren Folgen, dem nur durch international konzentrierte Aktivitäten begegnet werden kann. Deshalb bilden sich gerade europäische und globale Initiativen, die sicherstellen sollen, dass standardisierte und international vergleichbare Daten schnell und vollständig verfügbar sind, um faktenbasiertes Handeln in dieser Krise zu ermöglichen.
Genetische Inventarisierung seit 2014
Globales Handeln braucht starke nationale Player. In Österreich setzt sich die ABOL-Initiative seit 2014 für die genetische Inventarisierung der heimischen Biodiversität ein. Das Ziel, zumindest 85% der heimischen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten genetisch zu erfassen, ist durchaus ambitioniert, gilt Österreich doch mit ca. 75.000 bekannten Arten als vergleichsweise sehr artenreiches europäisches Land. Die tatsächliche Zahl der österreichischen Arten ist jedoch unbekannt, vor allem in wenig erforschten Organismengruppen sind die Wissenslücken groß.
Mit der genetischen Erfassung der Arten in Form von DNA-Barcodes wird ein öffentlich zugängliches „digitales Bestimmungsbuch“ geschaffen, das in vielen Bereichen praktische Anwendung findet. Welche Arten kommen in einem Schutzgebiet vor? Welcher Schädling hat die Bäume befallen? Welches Fleisch esse ich und welche Kräuter befinden sich in meinem Tee? Wie ist es um die Wasserqualität eines Flusses oder Sees bestellt?
Für die Beantwortung solcher Fragen benötigt man eine genaue Artbestimmung, weshalb DNA-Barcoding vielfältig, z. B. im Naturschutz, der pharmazeutischen oder ökologischen Forschung sowie in der Schädlingsbekämpfung und der Qualitätskontrolle in der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden kann.
ABOL geht in die nächste Runde
Für nunmehr drei weitere Jahre wird das Projekt ABOL durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung finanziert. Die Koordination von ABOL ist am Naturhistorischen Museum Wien angesiedelt, Österreichs größter naturwissenschaftlicher Sammlung.
Die ABOL-Koordination als zentrales Element der Initiative treibt die Datenerhebung, die Qualitätssicherung und die Vernetzung zwischen den einzelnen Projekten, aber auch zwischen Grundlagenforschung und Anwendung voran. Mehr als 40 nationale Partner – Universitäten, Museen, Forschungseinrichtungen, Vereine, Schutzgebiete, DNA-Barcoding-Initiativen etc. – zählen zum ABOL-Netzwerk.
Die DNA-Barcode-Datenbank ist eng vernetzt mit den wissenschaftlichen Sammlungen an naturkundlichen Museen. Die dort gelagerten Referenzobjekte garantieren Reproduzierbarkeit. ABOL stärkt damit die wissenschaftlichen Sammlungen und fördert deren Erweiterung durch viele aktuelle Exemplare, die in Freilandexkursionen der Projektparther*innen gesammelt werden. Das Koordinationsteam vermittelt auch die Inhalte und Ziele der Initiative und deren wissenschaftlichen Hintergrund an die Öffentlichkeit.
Durch die Weiterfinanzierung der ABOL-Koordination können auch die sogenannten ABOL-BioBlitze an den Tagen der Artenvielfalt weitergeführt werden. An diesen Tagen nehmen zahlreiche Personen teil, die einen großen Anteil am gesellschaftlichen Gesamtwissen über Biodiversität in sich vereinen. Besucher*innen der Tage der Artenvielfalt erleben das Prinzip der DNA-Barcoding-Methode und lernen es zu verstehen. Dies soll zur Wertschätzung der Wichtigkeit von Biodiversität und zur gemeinsamen Stärkung und Vernetzung der Biodiversitäts-Community beitragen.
Die ABOL-Koordination am NHM Wien schlägt auch Brücken von der Expertise einzelner Personen über nationale Projekte zur konzertierten Beteiligung Österreichs an europäischen und internationalen Biodiversitätsprojekten wie z.B. Bioscan, Bioscan Europe oder Lifeplan. Ein Wermutstropfen ist, dass es keine Gesamtfinanzierung für die Datenerhebung des ABOL-Projektes gibt. Das Heben des Schatzes der österreichischen Biodiversität ist auf das Engagement vieler Forscherinnen und Forscher angewiesen, die sich um die Finanzierung zahlreicher Teilprojekte bemühen müssen, um dem gesteckten Ziel näher zu kommen.