Empa-Forschenden ist es gelungen, das Pigment Melanin in großen Mengen aus Pilzen zu gewinnen – bislang konnte das komplexe Biopolymer nur in teuren und aufwändigen Prozessen, bei denen nicht alle Eigenschaften reproduzierbar sind, künstlich hergestellt werden.
Seine Eigenschaften sind verblüffend und seine Anwendungen entsprechend vielfältig: Das Pigment Melanin, das beispielsweise die menschliche Haut vor schädigenden UV-Strahlen schützt (und uns eine sommerliche Bräune beschert), ist eine wahre Fundgrube für neue Materialien und Technologien. Zwar kommt der Wunderstoff in der Natur vor, im industriellen Maßstab konnte das komplexe Biopolymer jedoch bis jetzt nur in teuren und aufwändigen Prozessen, bei denen nicht alle Eigenschaften reproduzierbar sind, künstlich hergestellt werden. Auch Prozesse, natürliches Melanin aus Mikroorganismen zu gewinnen, zeigten bisher eine geringe Ausbeute.
Nicht verwunderlich also, dass die Substanz um ein Vielfaches teurer ist als Gold. Forschende der Empa haben nun Pilze dazu gebracht, das „schwarze Gold“ in einem einfachen und hochskalierbaren Verfahren herzustellen.
„Melanin verhält sich äusserst stabil gegenüber Umwelteinflüssen und ist nicht nur als Pigment, sondern auch weit darüber hinaus für die Entwicklung innovativer Komposit-Materialien interessant“, sagt Empa-Forscher Francis Schwarze von der Abteilung „Cellulose & Wood Materials“.
Hallimasch Pilz produziert massenhaft Melanin
Auf der Suche nach einfacheren, günstigeren Verfahren zur Herstellung von natürlichem Melanin in großen Mengen stießen Schwarze und sein Team auf einen Pilz, der eigentlich als Pflanzenschädling im Wald zu finden ist: Armillaria cepistipes, der zwiebelfüssige Hallimasch. Sein erstaunlicher Stoffwechsel bindet Schwermetalle, lässt Holz im Dunkeln leuchten – und produziert Melanin. Und zwar massenhaft.
„Wir haben eine vielversprechende Linie des Hallimasch-Pilzes selektiert, die mit unserer Technologie nun rund 1000-mal so viel Melanin produziert wie andere Mikroorganismen, mit denen die Pigmentherstellung bereits versucht wurde“, so Schwarze.
Der Trick: Der ausgewählte Pilzstamm lebt in einer Nährflüssigkeit und gibt das Melanin in die Umgebung ab. „Dieses System ermöglicht nun eine nachhaltige Produktion, die keine aufwändigen Extraktionsschritte mehr benötigt wie bisherige mikrobiologische Prozeduren“, erklärt Empa-Forscher Javier Ribera, der massgeblich an dem Verfahren beteiligt ist. Nach drei Monaten habe ein Liter Hallimasch-Kultur bereits rund 20 Gramm Melanin erzeugt.
Projekte zur Entwicklung innovativer Materialien
Die erleichterte und nachhaltige Produktion von Melanin ermöglicht es den Empa-Forschenden nun, Projekte zur Entwicklung innovativer Materialien voranzutreiben. Darunter ist beispielsweise ein System zur Wasserreinigung: Da Melanin in der Lage ist, Schwermetalle zu binden, kann es für die Entwicklung neuartiger Wasserfilter genutzt werden.
„Wir haben das organische Melanin in künstliche Polymere wie Polyurethan integriert“, erklärt die Empa-Forscherin Anh Tran-Ly. Mittels Elektrospinnen wurde das Polymergemisch in feinsten Fasern zu Membranen versponnen Bis zu 94 Prozent Blei lassen sich mittels der Melanin-basierten Komposit-Membranen aus verschmutztem Wasser entfernen, fand das Empa-Team heraus.
Melanin: Schwarz wie Ebenholz
In der Natur setzen Pilze die Melaninpigmentierung unter anderem dazu ein, sich vor konkurrierenden Organismen zu schützen, die aus der Umgebung eindringen. Mit einer neuen Technologie lässt sich der färbende Stoff nun auch verwenden, um viel größere Lebensgemeinschaften vor menschlichem Einfluss zu schützen: Mit Melanin lassen sich tropische Wälder schonen, in denen das wertvolle Ebenholz wächst.
Tropisches Ebenholz gilt auch wegen seiner einmaligen dunklen Farbe als besonders kostbar. Ein nachhaltiger Prozess, der gewöhnliches einheimisches Fichtenholz zu einem optisch ebenso attraktiven Produkt aufwertet, lässt vulnerable Tropenwälder aufatmen. „Wenn Fichtenholz in eine Melanin-Suspension eingelegt wird, lässt sich ein tiefdunkles Holz erzeugen, dass farblich mit Ebenholz vergleichbar ist“, sagt Empa-Forscher Tine Kalac.
Helfender Trick aus der Pilzkiste
Damit die schwarze Einfärbung das Holz besser durchdringen kann, griffen die Forschenden zu einem weiteren Trick aus ihrer Pilzkiste: Der wässrige Porling, Physisporinus vitreus, ist als Erreger der Weissfäule ebenfalls ein Holzschädling. Schwammartig wächst er auf Bäumen und zersetzt das stützende Lignin im Holz.
Mit einem eigens an der Empa entwickelten Verfahren wird das Holz nun gerade so lange mit dem Weissfäule-Pilz behandelt, dass die Melaninsuspension tief in die Holzstrukturen eindringen kann, das Holz aber noch stabil bleibt.