Eine verringerte Nahrungsaufnahme („Dietary Restriction“) verlängert die Lebenszeit bei vielen Tieren und hat auch positive Effekte auf die menschliche Gesundheit. Die Grundlagen wie „Dietary Restriction“ diese positiven Effekte erzielt sind noch nicht gut verstanden. Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns haben eine mögliche Erklärung bei Taufliegen gefunden: Sie identifizierten ein Protein namens Sestrin, das die positiven Effekte der verringerten Nahrungsaufnahme zu vermitteln scheint. Durch die Erhöhung der Menge an Sestrin in Fliegen konnten die Forscher deren Lebenszeit verlängern.
Die gesundheitlichen Vorteile einer reduzierten Nahrungsaufnahme sind seit langem bekannt. In jüngster Zeit ist deutlich geworden, dass die Verminderung bestimmter Nahrungsbestandteile, insbesondere von Proteinen und ihren einzelnen Bausteinen, den Aminosäuren, für die Reaktion des Organismus auf die Ernährungseinschränkung wichtiger ist als die allgemeine Kalorienreduktion. Auf molekularer Ebene spielt dabei der so genannte TOR-Signalweg eine wichtige Rolle für die Langlebigkeit.
Sestrin misst Aminosäuren und ist ein potenzieller Anti-Aging-Faktor
„Wir wollten wissen, welcher Faktor für die Messung von Nährstoffen in der Zelle, insbesondere von Aminosäuren, verantwortlich ist und wie dieser Faktor den TOR-Signalweg beeinflusst“, erklärt Jiongming Lu, Wissenschaftler in der Abteilung von Linda Partridge am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. „Wir haben uns auf ein Protein namens Sestrin konzentriert, das bereits als Sensor von Aminosäuren im Gespräch war. Niemand hat jedoch bisher die Funktion von Sestrin als Aminosäure-Sensor in einem Lebewesen nachgewiesen.“ Deshalb konzentrierten sich Lu und seine Kolleg*innen auf die Rolle von Sestrin im Modellorganismus Drosophila melanogaster, allgemein als Taufliege bekannt.
„Unsere Ergebnisse in Fliegen enthüllten das Protein Sestrin als einen neuen potenziellen Anti-Aging-Faktor“, sagt Linda Partridge, Leiterin des Forschungsteams. „Wir konnten zeigen, dass das Sestrin-Protein bestimmte Aminosäuren bindet. Als wir diese Bindung stoppten, war der TOR-Signalweg in den Fliegen weniger aktiv und die Fliegen lebten länger“, fügt Lu hinzu. „Fliegen, deren Sestrin Protein so verändert war, dass es nicht mehr in der Lage war, Aminosäuren zu binden, waren gesünder auf einer ansonsten schädlichen Hochproteindiät.“
Besonders interessant: Wenn die Forschenden die Menge des Sestrin-Proteins in den Stammzellen im Darm der Fliegen erhöhten, lebten diese Fliegen etwa 10% länger als Kontrollfliegen. Darüber hinaus schützten die erhöhten Mengen des Sestrin-Proteins die Stammzellen auch vor den negativen Auswirkungen einer proteinreichen Ernährung.
Lu fährt fort: „Wir sind neugierig, ob Sestrin beim Menschen eine ähnliche Funktion hat wie in der Fliege. Experimente mit Mäusen haben bereits gezeigt, dass das Sestrin Protein eine wichtige Rolle für die positiven Effekte von körperlicher Betätigung auf die Gesundheit des Tieres spielt. Denkbar wäre ein Wirkstoff, der die Aktivität des Sestrin Proteins im menschlichen Körper erhöht und damit den Alterungsprozess verlangsamt.“
Originalpublikation:
Jiongming Lu, Ulrike Temp, Andrea Müller-Hartmann, Jacqueline Eßer, Sebastian Grönke and Linda Partridge. „Sestrin is a key regulator of stem cell function and lifespan in response to dietary amino acids“.
Nature Aging, 2020. DOI: https://doi.org/10.1038/s43587-020-00001-7