Der Nobelpreis in Chemie geht heuer an den Schweizer Jacques Dubochet, den in Deutschland geborenen US-Forscher Joachim Frank und den Briten Richard Henderson für ihre Beiträge zur Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie. Mit der Methode können tiefe, dreidimensionale Einsichten in Biomoleküle gewonnen werden, so die Begründung. Sie eröffnet neue Erkenntnisse hinsichtlich der Moleküle des Lebens.
Die Entscheidung wurde heute (Mittwoch, 04. 10. 2017) von der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm bekannt gegeben. Die Preisträger erhalten nach einer Aufstockung der Dotation heuer neun Millionen Schwedische Kronen (rund 940.000 Euro). Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
Im vergangenen Jahr erhielten der Franzose Jean-Pierre Sauvage, der in den USA tätige Brite Sir Fraser Stoddart und der Niederländer Bernard Feringa den Preis „für den Entwurf und die Synthese Molekularer Maschinen“. Mit diesen aus Molekülen gebauten Maschinen wie einem Lift, künstliche Muskeln oder einem Nano-Auto seien sie „in eine neue Dimension der Chemie vorgedrungen“, hieß es im Vorjahr. Die Arbeiten des Schweizers Jacques Dubochet (Jahrgang 1942), des in den USA tätigen gebürtigen Deutschen Joachim Frank (1940) und des Briten Richard Henderson (1945) hätten „die Biochemie in eine neue Ära geführt“.
Spektrum des Beobachtbaren massiv ausgeweitet
Sämtliche Vorgänge des Lebens auf zellulärer Ebene finden – aus biochemischer Sicht – in wässrigen Lösungen statt. Um diese zu beobachten und zu analysieren eröffnete die nun prämierte Methode einen völlig neuen Ansatz. Die Technologie der Kryo-Elektronenmikroskopie habe die Möglichkeiten der Bildgebung in diesem Bereich nicht nur vereinfacht, sondern auch entscheidend verbessert, begründete die Nobelpreis-Jury die Zuerkennung. Davor hätten „viele leere Stellen die biochemischen Landkarten“ geprägt. Die Kryo-Elektronenmikroskopie änderte das jedoch grundlegend.
Forscher können nun beispielsweise Zellen einfrieren, während sie gerade aktiv sind und sie dann mit Elektronenmikroskopen analysieren. Damit werden heute Dinge beobachtet, die sowohl für das generelle Verständnis der Abläufe in der Chemie des Lebens als auch für die Entwicklung von Medikamenten wichtig sind.
Henderson, der am MRC Laboratory of Molecular Biology (LMB) in Cambridge (Großbritannien) arbeitet, hat mit seiner Forschung gezeigt, dass Elektronenmikroskopie nicht nur zum Studieren toter Materie geeignet ist. 1990 konnte er erstmals ein dreidimensionales Bild eines Proteins mit einer extrem hohen Auflösung aufnehmen. „Dieser Durchbruch zeigte das Potenzial der Technologie“, heißt es in der Begründung. Einen wichtigen Grundstein dafür legte Frank (Columbia University, US-Bundesstaat New York), indem er bereits zwischen 1975 und 1986 eine Methode entwickelte, mit der die unscharfen zweidimensionalen Bilder analysiert und in ein schärferes 3D-Bild übersetzt werden konnten.
Wasserhaltige Proben untersuchen
Der zentrale Verdienst von Dubochet von der Universität Lausanne war es, die Mikroskopie-Technologie für Proben, die Wasser enthalten nutzbar zu machen. Davor verdampfte das für das Leben so wichtige Molekül im Vakuum von Elektronenmikroskopen, was Biomoleküle unverzüglich kollabieren lässt. In den frühen 1980er Jahren entwickelte der Schweizer den Kunstgriff, Wasser so schnell abzukühlen, dass es sich in seiner ursprünglichen Form um die biologische Probe herum verfestigt. Dies machte es möglich, Untersuchungsobjekte in ihrer natürlichen Gestalt unter die Hightech-Lupe zu nehmen.
Nach zahlreichen weiteren Verbesserungen der Technologie kann mittlerweile in 3D bis tief in die atomare Ebene geblickt werden. Die Methode gehört weltweit zum Life-Science- bzw. Biotech-Repertoire und wissenschaftliche Veröffentlichungen enthalten zahlreich Abbildungen basierend auf der nun mit der höchsten Anerkennung gewürdigten Technologie. So wurde kürzlich beispielsweise die Oberflächenstruktur des Zika-Virus analysiert.
Alles über die Nobelpreise hier auf der Website der
Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften
(Quellen: APA, Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften)