Sauberes Windelrecycling

Forscher des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) haben einen umweltfreundlichen Recyclingprozess für handelsübliche Windeln entwickelt. Bisher wurden Windeln verbrannt oder deponiert, da eine Recyclierung der Verbundstoffe als zu teuer und für die Industrie im Sinne einer Kreislaufwirtschaft in unzureichender Qualität umzusetzen war. Wertvolle, wiederverwendbare Ressourcen gingen damit verloren. Der enzymatische Recyclingprozess des acib könnte diesen Kreis schließen. Aus dem Windelmüll könnten wichtige Grundbausteine für die Chemieindustrie, Bioethanol oder neue Polymere gewonnen werden. Das Projekt wurde kürzlich mit dem riz up Genius Ideen und Gründerpreis 2020 nominiert.

Weltweit entsteht über eine Tonne Windelmüll pro Minute. Allein in der EU werden jährlich mehr als 20 Milliarden Einwegwindeln produziert. Diese bestehen aus einem komplexen Gemisch aus Polyethylen-, Polypropylen sowie Cellulose- und superabsorbierenden Kunststofffasern. Letztere sind hauptsächlich aus körnigem Natriumpolyacrylat gefertigt, einem chemischen Verbundstoff, der das Hundertfache der Masse einer Windel absorbieren bzw. aufnehmen kann. Alle diese Materialien gelten als wertvolle, wiederverwendbare Ressourcen, die am Ende ihres Lebenszyklus meistens verbrannt oder deponiert werden und damit unwiederbringlich verloren gehen. Der Grund: Eine Trennung und damit saubere Recyclierung ist aufwendig und teuer und damit für die Industrie im Sinne einer Kreislaufwirtschaft bisher nicht oder nur in unzureichender Qualität umzusetzen. „Um die jährlich über 3,5 Millionen Tonnen an Windelmüll erstmals als wichtige Rohstoffquelle zu nutzen, hat eine Arbeitsgruppe des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) am Standort Tulln Überlegungen zur Entwicklung eines völlig neuen biotechnologischen Ansatzes zum Windelrecycling angestellt.

Enzyme als umweltfreundliche Helfer

Im Zentrum der Technologie steht – nach einem ersten Reinigungsschritt der Windeln – der Einsatz von Enzymen. „Enzyme sind biologische Katalysatoren aus Bakterien und Pilzen, die zahlreiche biologische und chemische Prozesse steuern und in Gang bringen. Die Enzyme die wir einsetzen, das sind unter anderem Cellulasen, sind in der Lage, die Windelfasern zu trennen und zu recyceln, woraufhin Cellulosefasern zum Grundstoff Glukose abgebaut und folglich als Nährstoffquelle fermentativ genutzt werden können“, erklärt acib-Wissenschaftlerin Sara Vecchiato, die ebenso am Institut für Umweltbiotechnologie der BOKU Wien am IFA Tulln forscht. Die enzymatischen Abbauprodukte der Kunststofffasern sind wertvolle Grundbausteine für chemische Verfahren oder der Herstellung von Bioethanol und neuen Polymeren.
Der Vorteil der Technologie ist, dass sie einfach und in reiner Form rückgewonnen werden können. Zudem kann Erdöl, das nach wie vor als Grundbaustein für die in Windeln verarbeiteten Polymere herangezogen wird, eingespart und somit die Umwelt geschont werden. „Anders als bei der thermischen Verwertung des Windelmülls entsteht beim acib-Verfahren außerdem kein CO2. Während des gesamten Prozesses benötigen wir auch keinerlei gefährliche Chemikalien. Das Recyclingverfahren findet bei Raumtemperatur statt, benötigt keine aufwändige und kostspielige Infrastruktur und stellt eine damit eine umweltfreundliche Maßnahme dar, die Effekte des Klimawandels einzubremsen“, betont Vecchiato.

Neues Recyclingverfahren für Windeln schont Ressourcen. | Foto: Archiv
Helmut Mitteregger:
Related Post