Proteine und ihre dreidimensionale Struktur für neue Therapien

Im Christian Doppler Labor für Wissensbasierte Strukturbiologie und Biotechnologie werden Grundlagen für die Therapien von morgen erarbeitet. Gemeinsam mit namhaften Industriepartnern geht es vor allem darum, die Struktur von Proteinen und deren biologische Funktionen zu entschlüsseln.

Proteine bilden komplexe Strukturen. Wenn sich diese Strukturen verändern, können Krankheiten entstehen. Aber warum kommt es zu diesen Veränderungen? Und was sind die molekular-chemischen Prozesse, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen? Fragen wie diese stehen im Zentrum des Christian Doppler (CD) Labors für Wissensbasierte Strukturbiologie und Biotechnologie, in dem hochkarätige Forscherinnen der Uni Wien seit 2017 eng mit Partnerinnen aus der Pharmaindustrie zusammenarbeiten.

Das Christian Doppler Labor für Wissensbasierte Strukturbiologie und Biotechnologie verfolgt einen strukturbasierten Forschungsansatz mit dem Ziel, die biologische Funktion eines Proteins aus seiner dreidimensionalen Struktur abzuleiten. | Foto: Christian Doppler Forschungsgesellschaft

„Die Wirkungsweise von Proteinen ergibt sich wesentlich aus deren dreidimensionaler Struktur. Wenn wir lernen, wie sich diese Proteine verändern und warum, können wir die Entstehung von Krankheiten besser verstehen“, erklären die Laborleiter*innen Kristina Djinovic-Carugo und Robert Konrat vom Department für Strukturbiologie und Computational Biology der Max Perutz Labs, einem Joint Venture zwischen der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. Die neuen Erkenntnisse, die sie mit ihrer angewandten Grundlagenforschung liefern, könnten in Zukunft effektivere Behandlungen und Medikamente ermöglichen.

Ungeordnete Proteine als potenzielle Targets

Die Ziele im CD-Labor sind vielseitig und werden in unterschiedlichen Forschungsmodulen verfolgt. In einem davon widmet man sich etwa gemeinsam mit Boehringer Ingelheim sogenannten intrinsisch ungeordneten Proteinen und will herausfinden, inwiefern sich diese als potenzielle Ziele (Targets) für Medikamente eignen.

Wir erschließen dabei auch völlig neue Protein-Targets, die der pharmazeutischen Forschung bislang nicht zugänglich waren. Dadurch lassen sich künftig auch komplexere Krankheiten wie Krebs adressieren, für die es derzeit noch keine Wirkstoffe gibt.

Univ.-Prof. Dr. Robert Konrat, Department für Strukturbiologie und Computational Biology der Max Perutz Labs

In einem anderen Bereich will man in Kooperation mit dem niederösterreichischen Futtermittelzusatz-Erzeuger Biomin die Struktur von Enzymen erforschen und jene verbessern, die Mycotoxine unschädlich machen. Diese Pilzgifte sind eine der Hauptursachen für gesundheitsschädliche Verunreinigungen von Tierfutter in der Landwirtschaft. „Indem wir die Kristallstrukturen dieser Enzyme untersuchen, können wir zur Verbesserung ihres Designs beitragen und sie ökologischer, ressourcenschonender und ökonomischer machen“, erklärt Kristina Djinovic-Carugo.

Ein weiterer Sektor konzentriert sich gemeinsam mit Haplogen, einem Biotechnologieunternehmen mit Sitz am Campus Vienna Biocenter, auf die Entwicklung eines Medikaments, mit dem verschiedene Erkrankungen behandelt werden können, die von Dengue- und Zika-Virusinfektionen ausgelöst werden. „Die Beobachtung der Interaktionen entsprechender Inhibitor-Proteine bei hoher Auflösung gibt uns die Möglichkeit für eine effiziente, zielgerichtete Strategie für die Entwicklung von Wirkstoffen“, so die Forscherin.

Moleküle sehen und hören

Um genauere Einsichten in die Strukturen, Funktionen und Interaktionen von Proteinen zu gewinnen, setzen die Forscherinnen auf eine Kombination von Bioinformatik und Proteinproduktion mit High-End-Techniken der Biophysik und Strukturbiologie. „Wir verknüpfen neuartige computerbasierte Methoden zur Proteinsequenzanalyse mit biophysikalischen Techniken, welche bisher für die direkte Aufklärung dreidimensionaler Strukturen von Proteinen nicht greifbar waren, beispielsweise die Röntgenkristallographie und die Kernspinresonanzspektroskopie“, so die Wissenschafterinnen.

Was würde man sehen, wenn man einen Blick in ihr Labor wagt?

Bei uns geht es sehr stark um die Proteinproduktion. Man könnte unter anderem Roboter sehen, die wir für die synthetische Herstellung von Kristallen einsetzen oder Experimente beobachten, bei denen wir dann mit Röntgenstrahlen auf diese Kristalle schießen.

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Kristina Djinovic-Carugo, Department für Strukturbiologie und Computational Biology der Max Perutz Labs

„In unserem Bereich kommen keine derartigen hochenergetischen Prozesse zum Zug, sondern Radiowellen. Einfach gesagt: Bei Kristina kann man die Moleküle sehen, bei mir kann man sie hören“, ergänzt Konrat.

Das CD-Labor verwendet Protein-Kristallographie und Nuclear-Magnetic-Resonance-(NMR)-Spektroskopie zur Strukturaufklärung von medizinisch und biologisch relevanten Proteinen. Proteinstrukturanalysen erfordern Proteine mit hohem Reinheitsgrad, die im Labor synthetisch hergestellt und mit Hochdurchsatzmethoden gereinigt werden. | Foto: Christian Doppler Forschungsgesellschaft

Die ersten Zwischenergebnisse liegen auch schon vor. So konnte etwa die Forschungsgruppe rund um Kristina Djinovic-Carugo bereits erfolgreich mehrere Strukturen von Enzymen identifizieren. „Auf Basis unserer Ergebnisse können nun neue Varianten dieser Enzyme designt werden, die verbesserte Eigenschaften aufweisen“, meint die Expertin. Als nächstes gehe es um die weitere Optimierung: „Wenn diese weit genug fortgeschritten ist, starten unsere Industriepartner mit der Massenproduktion.“

Birgit Fischer:
Related Post