Kinderkrebs: Erforschung der Liquid Biopsy erhält WWTF-Förderpreis

Einer der begehrten Life Science Grants für Präzisionsmedizin des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) geht an die St. Anna Kinderkrebsforschung. Preisträgerin Dr. Eleni Tomazou wird gemeinsam mit ihren Projektpartnern die klinische Umsetzbarkeit eines neuen diagnostischen Ansatzes prüfen, der eine personalisierte Diagnose und Behandlung von Kinderkrebs auf Basis von Blutproben ermöglichen soll.

Dr. Eleni Tomazou, Principal Investigator an der St. Anna Kinderkrebsforschung, erhält einen hochdotierten Life Science Grant für Präzisionsmedizin vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF). Das für diese Förderung ausgewählte Projekt dient der klinischen Überprüfung eines minimal-invasiven Diagnose-Toolkits, also Werkzeugsets, für kindliche Knochentumore, sogenannte Ewing-Sarkome.

Liquid Biopsy bei Kinderkrebs wenig angewendet

Von 82 Kurzanträgen für diesen Förderpreis wurden 24 Projekte zur Einreichung eines Vollantrages eingeladen und sieben Projekte schließlich für die Förderung mit insgesamt 6,07 Mio. Euro ausgewählt. Tomazou kann nun gemeinsam mit Prof. Christoph Bock vom CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Markus Metzler vom Universitätsklinikum Erlangen und Prof. Uta Dirksen vom Universitätsklinikum Essen eine Fördersumme von knapp 900.000 Euro für ihr Forschungsprojekt einsetzen.

Flüssigbiopsie im Vergleich zur herkömmlichen Biopsie | Grafik: Anmery, Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

Das Projekt basiert auf dem Konzept der Liquid Biopsy, also einer Tumor-Analyse aus dem Blut. Dabei werden Blutproben entnommen und auf kurze DNA-Fragmente untersucht, die ein Tumor in die Blutbahn abgegeben hat. Dieser Ansatz ist für die Präzisionsmedizin sehr vielversprechend, da er eine minimal-invasive Alternative zu herkömmlichen Biopsien darstellt, bei denen ein Stück des Tumors entnommen wird. Bei Kinderkrebs findet die Liquid Biopsy im Vergleich zu Krebserkrankungen bei Erwachsenen aber noch wenig Anwendung. Das liegt zum Teil an den niedrigen Raten genetischer Veränderungen bei Krebs im Kindesalter, was die Verwendung genetischer Marker zum Auffinden von Tumor-DNA-Fragmenten erschwert. Dieses Problem will Tomazou lösen: „Wir haben eine Liquid-Biopsy-Methode entwickelt, die epigenetische Muster von Tumoren ausnützt und unabhängig von genetischen Defekten ist.“

Neues diagnostisches Toolkit für kindlichen Knochenkrebs

Um epigenetische und genregulatorische Muster zu erkennen, die für Tumorzellen charakteristisch sind, kombiniert unser Ansatz eine Ganzgenom-Sequenzierung von zellfreier Tumor-DNA mit Algorithmen des maschinellen Lernens. Epigenetische Muster bestimmen mit, unter welchen Umständen ein Gen angeschaltet wird und wann es wieder stumm wird. Beim Ewing-Sarkom, einem Knochenkrebs bei Kindern und jungen Erwachsenen, haben wir weit verbreitete epigenetische Veränderungen gefunden. Wir nutzen diese Veränderungen, um die Diagnose und Überwachung dieser Tumore zu verbessern, indem wir die Fragmentierungsmuster der vom Tumor stammenden und im Blut zirkulierenden DNA analysieren.

Dr. Eleni Tomazou, Principal Investigator an der St. Anna Kinderkrebsforschung

„Diese Förderung ermöglicht es uns, den neuen Flüssigbiopsie-Ansatz klinisch zu überprüfen und damit einen entscheidenden Schritt in Richtung einer stärker personalisierten Behandlung für das Ewing-Sarkom zu machen“, ergänzt Tomazou. Denn ein vielversprechender Weg zu besseren Behandlungsergebnissen beim Ewing-Sarkom ist die Personalisierung der Chemotherapie: Jede Patientin und jeder Patient soll nur so viel Behandlung erhalten, wie notwendig ist, um die Heilungschancen des Kinderkrebs zu maximieren und gleichzeitig die Folgeschäden einer hochdosierten Chemotherapie zu minimieren.

Um diesem Szenario näher zu kommen, wird das Forschungsteam drei Anwendungen ihres minimal-invasiven Diagnosekits verfolgen:

  • die Unterscheidung zwischen lokalisierten Ewing-Sarkomen mit hohem versus niedrigem Risiko und die Erkennung von nicht sichtbaren Metastasen bei der Diagnose
  • die Echtzeit-Überwachung des ersten Ansprechens auf eine Chemotherapie
  • die Krankheitsüberwachung zur frühzeitigen Erkennung von Rückfällen bei Erhaltungs- Chemotherapie und Nachsorge

Wegbereiter für ein adaptives klinisches Studiendesign bei Kinderkrebs

„Wir sind hoch motiviert, denn dieses Projekt wird die Grundlagen für ein innovatives klinisches Studiendesign bei kindlichen Krebserkrankungen schaffen. Unsere Liquid-Biopsy-Analyse könnte für die Überwachung von Patientinnen und Patienten eingesetzt werden, um Rückfälle zu erkennen und frühzeitig die Behandlung individuell anzupassen. Dieser neue Ansatz ergänzt andere Initiativen, die sich auf das Genom oder Transkriptom konzentrieren. Letztere haben beim Ewing-Sarkom und anderen Krebsarten im Kindesalter aber ihre Grenzen, die wir durch Ausnutzung der epigenetischen Charakteristika dieser Tumore überwinden wollen“, erklärt Tomazou.

Für Assoc.-Prof. Dr. Kaan Boztug, wissenschaftlicher Direktor der St. Anna Kinderkrebsforschung, ist das ein sehr vielversprechendes Projekt mit hoher klinischer Relevanz. „Die aktive Beteiligung der deutschen Projektpartner sowie die enge Verbindung mit dem iEUROEWING-Konsortium stärkt unsere internationale Verankerung.“

Bei erfolgreichem Abschluss des geförderten Projekts kann die Epigenom-basierte Flüssigbiopsie als molekularer Biomarker in prospektive klinische Studien aufgenommen werden.

Über Epigenetik

Epigenetik ist ein Bindeglied zwischen Umwelt und Genetik. Sie ist mitverantwortlich für die Genregulation, das heißt, wann welche Gene aktiv sind und wann sie wieder stummgeschaltet werden. Epigenetische Mechanismen führen zu einer Änderung der Genfunktion, die nicht auf Veränderungen der DNA-Sequenz – zum Beispiel durch Mutation – beruhen, aber dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden. Da kindliche Tumore oft nur wenige genetische Veränderungen aufweisen, sind ihre epigenetischen Muster ein vielversprechender Ansatzpunkt für die nicht-invasive Diagnostik mittels Liquid Biopsy.

Birgit Fischer:
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